(Dies ist ein Dokument der Wolfsjagd-Orga, www.wolfsjagd-larp.de, das wir für unsere Veranstaltung mitbenutzen dürfen und deren Kanon wir benutzen)
Hintergrundinfos zur Epoche
Die hier aufgeführten Hintergrund-Infos dienen dazu, euch ein Gefühl für das Setting zu geben. Ihr müsst euch nicht alles merken. Relevant ist, was in euren Charakteren steht. Die dort beschriebenen Ereignisse, politischen Verbindungen, Namen, Verwandtschaften, uvm. sind an die historischen Gegebenheiten angelehnt, aber im Sinne der Einfachheit und künstlerischen Freiheit frei interpretiert und angepasst.
Aufklärung im 18.Jhd.
I. Allgemein:
Quelle Wikipedia:
Der Begriff Aufklärung bezeichnet die um das Jahr 1700 einsetzende Entwicklung, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Es galt, Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen. Seit etwa 1780 bezeichnet der Terminus auch diese geistige und soziale Reformbewegung, ihre Vertreter und das zurückliegende Zeitalter der Aufklärung (Aufklärungszeitalter, Aufklärungszeit) in der Geschichte Europas und Nordamerikas. Es wird meist auf etwa 1650 bis 1800 datiert. Aufklärung und Barock, die oft als Gegensätze gesehen werden, entwickelten sich über Jahrzehnte zeitgleich im gleichen geografischen Raum.
Als wichtige Kennzeichen der Aufklärung gelten die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, mit der man sich von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen und Ideologien gegen den Widerstand von Tradition und Gewohnheitsrecht befreien will.
Dazu gehörte im Zeitalter der Aufklärung der Kampf gegen Vorurteile und die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, das Plädoyer für religiöse Toleranz und die Orientierung am Naturrecht. Als eines der Hauptwerke der Aufklärung galt die von den Enzyklopädisten Denis Diderot und D’Alembert herausgegebene 36-bändige Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers
Gesellschaftspolitisch zielte die Aufklärung auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht. Insbesondere Olympe de Gouges setzte sich für die Frauenrechte ein. Condorcet wollte das allgemeine Wahlrecht auch den Frauen gewähren. Viele Vordenker der Aufklärung waren fortschrittsoptimistisch und nahmen an, eine vernunftorientierte Gesellschaft werde die Hauptprobleme menschlichen Zusammenlebens schrittweise lösen. Dazu vertrauten sie auf eine kritische Öffentlichkeit.
Aufklärerische Impulse beeinflussten Literatur, Schöne Künste und Politik, etwa die Amerikanische Revolution von 1776 und die Französische Revolution von 1789. Sie trugen zu einem andauernden Rationalisierungsprozess von Politik und Gesellschaft bei, so dass die Aufklärung zu einem Kennzeichen der Moderne wurde.
Auszüge aus Fachliteratur:
Die Aufklärung, Europa im 18. Jahrhundert / Barbara Stollberg-Rilinger
S. 9: Mit Aufklärung meinte man: Licht in das Dunkle der Unvernunft bringen, den Nebel des Aberglaubens, der Vorurteile und der geistigen Bevormundung vertreiben, eigene, klare, überprüfbare Begriffe von allen Gegenständen entwickeln […] Nach der berühmten Definition Kants von 1784 war Aufklärung „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, was den Mut voraussetzt, „sich seines Verstandes ohne Leitung anderer zu bedienen“. Kennzeichnend für das Zeitalter, an dessen Ende Kant dies formulierte, war der Optimismus, dass die allen gemeinsame Vernunft die Menschen prinzipiell dazu befähige, Vorurteile, Aberglauben und angemaßte Autorität zu durchschauen und die menschlichen Verhältnisse in vernunftgemäßer Weise neu zu ordnen.
S. 10: Dem menschlichen Handeln schien sich ein bisher ungeahnter Gestaltungsspielraum zu öffnen, indem es sich auf die Zukunft und das Diesseits und nicht mehr ausschließlich an einer idealen Vergangenheit oder am Jenseits orientierte. Bei der neuen Ausrichtung auf praktische Nützlichkeit allen Wissens bediente man sich eines stetig wachsenden Netzwerks von Akademien, Salons, Vereinen und Gesellschaften. […] Das aufklärerische Bemühen dieser Gruppen richtete sich zum einen darauf, die Zentren der Kultur und der politischen Macht für ihr Programm zu gewinnen, und zum anderen darauf, die ungebildeten Schichten der Gesellschaft zu erreichen, von deren kulturellen Traditionen sich die Kultur der Gebildeten seit Jahrhunderten immer weiter entfernt hatte.
S.73: Die bäuerliche Gesellschaft war für die aufklärerischen Bildungsbemühungen und obrigkeitlichen Gesetze keineswegs so dankbar, wie deren Befürworter erwarteten. Sie verfügte vielmehr über ein eigenes Normensystem, das nicht weniger rigide war als das neu verordnete, aber anderen Leitlinien folgte. Da die bäuerliche Kultur noch vorwiegend schriftlos war, ist es schwierig, diese Normen zu rekonstruieren. […] Der „Landmann“ [erscheint] als abergläubisch und magischen Praktiken zugetan, wenig leistungsbereit, zu Müßiggang und Verschwendung neigend, unbeherrscht, gewalttätig und von lascher Sexualmoral, vor allem aber rückwärtsgewandt und allen Neuerungen abgeneigt.
S. 99: Viele Züge des christlichen Glaubens waren mit dem optimistischen Menschenbild der Aufklärer, der wissenschaftlichen Aufbruchsstimmung und der Konzentration auf die Vervollkommnung im Diesseits schwer zu vereinbaren: so der Glaube an den Fluch der Erbsünde und die grundsätzliche Verderbtheit der menschlichen Natur, an das leibhaftige Wirken des Teufels und die drohende Höllenstrafe, die willkürlichen Züge der göttlichen Herrschaft und die Vertröstung auf das Jenseits. Der Gott der meisten Aufklärer war kein bedrohlicher, strafender Despot, sondern ein vernünftiger, milder, liebender Vater.
S.119: Als soziale Keimzelle der Aufklärung schlechthin gelten die französischen Salons, die seit dem 17. Jahrhundert die Geselligkeitsformen der Hofkultur in einem intimeren, privateren Raum fortsetzten. Im Haus meist adliger oder bürgerlicher Frauen, seltener Männer, traf man sich zu festgesetzten Zeiten „tout le monde“, um literarischen oder künstlerischen Darbietungen zuzuhören, an wissenschaftlichen Vorträgen teilzunehmen, vor allem aber um über alle möglichen Themen zu debattieren und die Kunst der geistreichen Konversation zu pflegen.
S. 133: Das Prinzip des selbstgewählten sozialen Umgangs, der Freundschaft […] wurde im 18. Jahrhundert von der neuen adlig-bürgerlichen Mittelschicht überhaupt in besonderer Weise kultiviert. Symptomatisch dafür ist, dass das Wort „Freundschaft“ im Deutschen erst jetzt seine noch heute vertraute Bedeutung annahm: Hatte es noch im 17. Jahrhundert den weiteren Kreis der angeheirateten Verwandtschaft bezeichnet, so bedeutete es nun ganz im Gegensatz dazu gerade nicht die tatsächliche, sondern die „Seelenverwandtschaft“ […] insbesondere zwischen Männern, aber auch zwischen Frauen, seltener hingegen zwischen Männer und Frauen. […] Das Ideal der Freundschaft wurde nicht nur im persönlichen Umgang, sondern auch und vor allem in einem neuen Kult des Briefwechsels gepflegt. Die Angehörigen der gebildeten Stände […] machten sich dieses Medium im Laufe des 18. Jahrhunderts in einem bisher unbekannten Maße zu eigen und griffen zur Feder, um sich […] gegenseitig ihre innersten Gefühle und Gedanken zu offenbaren, über philosophische und wissenschaftliche Fragen zu räsonieren oder auch nur die Ereignisse des Alltagslebens mitzuteilen.
S. 147: In welchem Sinne kann man das 18. Jahrhundert als ein Jahrhundert der Weiblichkeit bezeichnen? Schließlich waren überall in Europa die Frauen ähnlich unmündig wie heute die Kinder, sie bedurften eines männlichen Vormunds um Rechtsgeschäfte zu tätigen, und sie waren von der Teilhabe am politischen Leben weitestgehend ausgeschlossen. Was also spricht dafür? Die Bezeichnung entsprach der Selbsteinschätzung vieler Zeitgenossen. Ihr Stolz, in einer Epoche des Fortschritts und der Zivilisation zu leben, stützte sich auf das Argument, der sittliche Zustand einer Kultur lasse sich am besten an der Lage des weiblichen Geschlechts ablesen, und sie waren der Überzeugung, dass dessen Lage […] den bisher höchsten Stand in der Menschheitsgeschichte erreicht habe. Der hohe zivilisatorische Standard des gegenwärtigen Zeitalters drücke sich darin aus, dass die Frauen nicht mehr geknechtet und ausgebeutet würden, dass sie vielmehr mit ihren Männern partnerschaftlichen Umgang pflegten und ihnen an Herzens- und Verstandesbildung nicht nachstünden. […] An Gleichheit oder Gleichberechtigung der Geschlechter dachte man aber dabei nicht, im Gegenteil: Vielmehr schienen die Frauen der mittleren Stände erst jetzt ihrer naturgemäßen Bestimmung gerecht zu werden: Sie seien von der harten körperlichen Arbeit der Frauen des gemeinen Volkes ebenso befreit wie von der unnatürlichen Verfeinerung des Hoflebens und könnten sich so ausschließlich ihren natürlichen Pflichten widmen: nämlich der Aufsicht über das Hauswesen, der liebevollen Sorge für den Ehemann und der aufopferungsvollen Mutterschaft und Kindererziehung. Was Zeitgenossen als historische Errungenschaft erschien, war also ein spezifisches Weiblichkeitsideal, das den Lebensumständen der neuen Mittelschicht entsprach.
S.185: Das 18.Jahrhundert erlebte eine bis dahin unvorstellbare Popularisierung der Forschung, die weit über die Akademien hinaus geradezu zu einer geselligen Mode wurde.
II. Medizin:
Auszüge aus Fachliteratur:
Aufwachsen bei Hofe / Claudia Kollbach
S.81: Neu entdeckt wurde seit dem 16. Jhd. jedoch nicht nur die sex res von Galen, sondern auch das antike medizinische Erbe des Hippokrates samt seiner empirischen Methoden. Die neohippokratische Wende gab Anstoß zu einem Prozess, der in der Literatur häufig unter dem Begriff der „Medikalisierung“ gefasst wird. […] Damit einher ging die Etablierung eines fachwissenschaftlichen Diskurses samt einer generellen Professionalisierung der Ärzteschaft.
Die Aufklärung, Europa im 18. Jahrhundert / Barbara Stollberg-Rieling
S.191: Die klassische Universitätswissenschaft der Medizin, die traditionell rein theoretischspekulativ verfahren war und das Erfahrungswissen den Handwerkern (Chirurgen, Barbieren, Wundärzten) überlassen hatte, wandte sich unter dem Einfluss der neuen Naturforschung allmählich empirischen Methoden zu. Erst jetzt entstand die klinische Forschung.
S. 194: Die Lehre vom Lebendigen, vor allem im Rahmen der Medizin betrieben, wies im 18. Jahrhundert eine unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher Erklärungsversuche auf, ohne dass es die technischen Möglichkeiten zur Verifizierung der einen und zu Widerlegung der anderen gegeben hätte.
S 196: Der […] Arzt Anton Mesmer hatte auf Grundlage der Newtonschen Gravitationslehre eine Theorie des „tierischen Magnetismus“ entwickelt, mit deren Hilfe er Krankheiten nicht nur zu erklären, sondern auch zu heilen vermochte, indem er durch magnetische Vorrichtungen oder auch nur durch Handauflegen bei seinen Patienten Trancezustände hervorrief. Obwohl sich das Heilverfahren experimentell nicht nachvollziehen ließ, wurde Mesmer in den […] Salons […] zum gefragten Modetherapeut. Die Bereitschaft des Publikums zu glauben war stärker, als kritische Aufklärer gehofft hatten. Die Entzauberung der Welt leistete vielmehr einer neuen Art von Fanatismus und Schwärmerei Vorschub.
Als die Musik in Deutschland spielte, Reise in die Bachzeit / Bruno Preisendörfer
S. 149: Wo geraubt wird, muss auch gestraft und hingerichtet werden. Frühaufklärer wie Christian Wolff teilten mit Universitätsjuristen und Richtern die Vorstellung, dass Abschreckung durch unmittelbare Anschauung am besten wirke…es sei „nötig, daß das Gericht […] an einer öffentlichen Straße lieget, und zwar an derjenigen, wo die meisten Reisenden passieren, damit desto mehr Gelegenheit ist an die Strafen zu gedenken, welche auf die Übeltaten gesetzt werden. […] `Criminalpolitik´ kann Sozialpolitik nicht ersetzen, auch wenn das in der Konsolidierungsphase des frühmodernen Staates in nahezu allen Landesherrlichkeiten versucht wurde. […] Ein `Schlitzohr´, dem der Henker eine Kerbe in die Ohrmuschel geschnitten oder ein Brandmal auf die Wange gedrückt hat, mag andere Leute erschrecken, aber gerade weil er die Leute erschreckt, ist eine Rückkehr ins normale Leben nicht mehr möglich.